Geleitwort der evangelischen und katholischen Bildungsverantwortlichen
„Der Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“. Was der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Ernst-Wolfgang Böckenförde mit diesem Satz beschreibt, gilt in besonderer Weise auch für die Schulen: Werte lassen sich nicht einfach unterrichten oder staatlich vermitteln. Wertebildung beruht auf inneren Überzeugungen, also auf Weltanschauung oder Religion. Aus diesem Grund garantiert unser Staat nicht nur den Religionsunterricht, sondern weist – in der Landesverfassung Baden-Württembergs – den Religionsgemeinschaften eine wichtige Rolle in der Erziehung zu.
Kinder und Jugendliche verbringen immer mehr Zeit im „Lebensraum Schule“. Umso wichtiger ist es, dass sie sich auch dort mit Fragen der Lebensorientierung auseinandersetzen. Was ist eigentlich der Sinn des Lebens? Worin besteht mein Wert als Mensch jenseits von Noten und Leistung? Solche Fragen berühren eine religiöse Dimension, auf die jeder eine eigene Antwort finden muss. Wenn Kirche und ihre Jugendarbeit sich auf den Weg zur Schule macht, dann stellt sie die Frage nach den Lebens-Werten, getragen von der Überzeugung, dass jeder Mensch als Geschöpf Gottes wertvoll und liebens-wert ist. Junge Menschen brauchen nicht nur „Know-how“, um ihre Zukunft erfolgreich zu gestalten, sie brauchen auch „Know-why“, also Antworten auf die Fragen nach Sinn und Ziel des Lebens. Soziale Verantwortung wird dort gelernt, wo junge Menschen selbst aktiv werden und sich für ihre Mitmenschen einsetzen – gerade die kirchliche Jugendarbeit bietet hierfür reiche Praxisfelder.
Die Schulen sind, insbesondere im Bereich der Ganztagsschulen, angewiesen auf die Kooperation mit Partnern aus der Gesellschaft. Wie die vorliegende Praxishilfe zeigt, haben Kirchengemeinden, Jugendarbeit, Kirchenmusik, Caritas, Diakonie und weitere Träger kirchlicher Arbeit eine Vielzahl gelingender Projekt-Ideen entwickelt. Neben der Freude über gelingende Kooperationen nehmen wir auch die Herausforderungen dieser Kooperationen wahr: Ein echtes Miteinander „auf Augenhöhe“ wird nur dort möglich, wo außerschulische Partner nicht als billige Betreuungslösung missverstanden werden, sondern Teil eines umfassenden Bildungsverständnisses sind. Damit dies gelingt, benötigen wir zukünftig neue Finanzierungsmodelle, die es außerschulischen Partnern (ob von Kirche, Sport oder anderen Arbeitsfeldern) ermöglichen, sich in der Schule einzubringen, ohne ihre außerschulische Arbeit dafür aufzugeben.
Bildung ist mehr als Schule. Daher darf auch die Ganztagsschule nicht als Monopolist der Bildung angesehen werden. Neben schulischen Angeboten bedarf es weiterhin der außerschulischen Bildungsangebote. Die dafür nötigen Zeiträume müssen freigehalten werden. Daher plädieren die Kirchen für eine Ganztagsschule mit klaren Grenzen: Wenn um 16 Uhr „Schluss mit Schule“ ist, inklusive Hausaufgaben und dem Lernen auf Arbeiten, bleibt Zeit und Freiraum für außerschulische Aktivitäten, in Kirchengemeinde, Jugendarbeit, Sportverein, Musikschule usw. Wir danken allen Partnern in Kirchengemeinden, Jugendarbeit und Schulen, die sich mit ihren Kooperationen für eine vielfältige Ganztagsbildung einsetzen. Jugendliche begegnen hier faszinierenden Menschen, die einladen Gemeinschaft zu erleben und gemeinsam Lebens-Werte zu entdecken.
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Die Landesverfassung zum Nachlesen im Internet.